Wir sind das, was die Gesellschaft aus uns macht. Und so kam es, dass die meisten in den letzten Jahren zu einem Ellenbogen mutiert sind.
Und dieses Virus ist hochansteckend. Allein heute hätte ich mich fast dreimal damit infiziert.
7:27Uhr - Bahn - alter, faltige Ellenbogen auf Hüfthöhe
12:11Uhr - Mensa - wabbeliger Ellenbogen vor meinem Gesicht
17:32Uhr - Supermarktkasse - extrem kantiger Ellenbogen in meinem Rücken
Aber ich bleibe höflich. Das ist das einzige Gegenmittel.
Und ich glaube fest daran, dass die Höflichkeit eines Tages siegen wird, auch wenn ich mich mit einer kleine Gruppe Nichtmutierter an einem einsamen Ort zu verschanzen muss, um unseren Kinder die ausgestorbene Kunst der Höflichkeit zu lehren.
Wir werden gegen das Virus ankämpfen, erbittert aber höflich.
Ich schreibe diesen Text, weil ich eigentlich andere und vor allem wichtigere Dinge zu erledigen hätte.
Zum Beispiel endlich die Unterlagen für die Steuererklärung rauszusuchen, die Bewerbung für den Job zuschreiben - den ich schon immer haben wollte oder Lebensmittel für die nächste Woche einzukaufen. Naja, da gibt's halt wieder jeden Tag Nudeln, das hat mich bisher auch nicht umgebracht.
Überhaupt ist der Begriff Deadline völlig übertrieben. Ich habe in meinem Leben schon so viele davon gerissen und lebe immer noch.
Außerdem ist es ja nicht so, dass ich dann gar nichts mache, ich suche mir halt Kompensationstätigkeiten - vermutlich um mich vor mir selbst zu rechtfertigen. Meist sind diese Tätigkeiten im jeweiligen Moment aber nicht sooo wichtig und nicht selten entwickeln sie sich zu regelrechten Prokrastinationsketten. Den Begriff habe ich selbst erfunden, als ich eigentlich... egal.
Müsste der Flur nicht mal wieder gestrichen werden? Dazu muss aber die Kommode raus. Was ist denn da alles drinnen?
Das wäre doch ein super Zeitpunkt das alles mal auszusortieren. Ach guck mal mein altes Pokémon-Karten-Sammelalbum.
Ich sollte genau jetzt im Internet recherchieren, was diese Karten heute wert sind.
Oh, nicht so viel wie ich eigentlich gehofft habe. Mist, da muss ich wohl doch weiter arbeiten gehen.
Da fällt mir ein... sollte ich nicht langsam mal die Steuererklärung machen?
Ja, es ist wahr: I put the Pro in Prokratination.
Wenn ich ehrlich bin, weiß ich gar nicht was das zwischen ihr und mir ist. Für eine Freundschaft Plus ist es zu wenig Freundschaft und für eine Affäre ist es zu toxisch.
Manchmal meldet sie sich tagelang nicht, nur um dann in den unpassendsten Momenten aufzutauchen und mich aus der Situation zu reißen. Genauso schnell und rücksichtlos ist sie dann auch immer wieder verschwunden.
Sie fordert meine gesamte Aufmerksamkeit und lässt mich meist in einem tiefen Loch zurück, zusammen mit der Angst,
dass sie nie wieder kommt.
Oft überrascht sie mich im Schlaf, manchmal auch auf der Arbeit oder auf dem Weg dahin. Ich schaffe es in diesen Momenten nicht "Nein" zu sagen, aber eigentlich will ich das auch gar nicht.
In ihrer Nähe fühle ich mich gut und strotze nur so vor Energie und Kreativität.
Diese Momente sind so intensiv, dass sie mich die langen Durststrecken dazwischen vergessen lassen.
Ihre Küsse machen süchtig, auch wenn sie scheinbar bedeutungslos sind.
Diese Zeilen widme ich ihr, der Muse.
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